Von Juliane Ziegler für den RefRat
Was ist passiert? Oder: Die AfD interessiert sich für Hochschulpolitik
Ende Januar stellte die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus eine sogenannte kleine Anfrage mit dem Titel Studentenvertretungen an Berliner Hochschulen.1 Sie enthält 39 Fragen über die ASten und die Studierendenparlamente der FU und der TU sowie über den RefRat und das StuPa der HU. Darunter sind allgemeine Fragen z.B. nach der Art der Referate und ihrer historischen Entwicklung, nach der Höhe der Aufwandsentschädigungen der Referent*innen, danach, wie Wahlen und Wahlergebnisse angekündigt bzw. verkündet werden, nach der Organisation der autonomen Referate, nach der Wahlbeteiligung bei den StuPa-Wahlen und den Haushalten der Studierendenschaften. Hinzu kommen aber auch Detailfragen bspw. nach derzeitigen Referenten [sic!], danach, wer Aufwandsentschädigungen erhält und was für Projekte, Veranstaltungen, Publikationen etc. aus dem Haushalt der Verfassten Studierendenschaft bezahlt werden.
Den größten Teil der allgemeinen Fragen hätte die AfD sich sparen können. Denn würde sie sich ernsthaft für die Studierendenvertretungen der drei großen Berliner Unis interessieren, wären diese Fragen mit einer einfachen Recherche leicht beantwortet gewesen. Die restlichen Detailfragen gehen die AfD schlicht nichts an. Die studentischen Selbstverwaltungen in Berlin sind glücklicherweise – und wie die Bezeichnung schon impliziert – relativ unabhängig erstens vom Berliner Senat und zweitens von den Hochschulleitungen, die lediglich ihre jeweilige Rechtsaufsicht ausüben.2 Sie finanzieren sich allein durch die Semesterbeiträge der Studierenden, die sie vertreten, haben entsprechend von den Unis unabhängige Haushalte und sind nur den Studierenden rechenschaftspflichtig.3
Die Vorgeschichte. Oder: Ein Gespenst geht um, das Gespenst der schlechten Recherche
Wir erinnern uns: Im Oktober 2017 erschien in der Studi-Zeitschrift »UnAuf« eine verschwörerische »Reportage«, in der dem RefRat und dem StuPa Intransparenz unterstellt und behauptet wurde, die Gelder der Studierendenschaft würden veruntreut und Referent*innen würden sich Referatsposten gegenseitig »zuschachern«. Ein brisanter wie schlecht recherchierter Artikel. In Zeiten des Clickbaiting und der Wiederkehr faschistischer Entwicklungen aber ein gefundenes Fressen für alle, die nicht so viel Wert auf Tatsachen legen und schon immer ein Problem mit »linken Studis« und deren Vertretungen hatten. Veröffentlichungen im gleichen Ton folgten im Tagesspiegel, in der FAZ und im rechten Magazin Cicero. Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe nahm diese Entwicklungen im Dezember 2017 zum Anlass, eine Anfrage zur Zusammensetzung, der Rechtsaufsicht und den finanziellen Mitteln des RefRats zu stellen.4 Und im Januar forderte der CDU-Abgeordnete Hans-Christian Hausmann Informationen zur Rechtmäßigkeit der »Haushalte studentischer Gremien« beim Senat an.5 Die Richtigstellung, die der RefRat Mitte November auf seiner Internetseite veröffentlichte, fand demnach nicht viel Berücksichtigung.6 Ebenfalls Ende Januar folgte dann die wesentlich umfangreichere, oben zusammengefasste Anfrage des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer.
Von Genderwahn und Linksextremen
Sieht man sich die hochschulpolitischen Positionen an, die die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus im letzten Jahr vertrat, überrascht es nicht, dass sie sich diesem Thema mit einem so großen investigativen Interesse widmet. Zwar behauptet die AfD wiederholt, ihr sei die Autonomie der Universitäten und die Freiheit von Lehre und Forschung wichtig, allerdings spricht ihr Verhältnis zu den Gender Studies einerseits und zu den Studierendenschaften anderseits doch stark dafür, dass das Gegenteil der Fall ist. In ihren Wahlprogrammen betont die AfD ihren antifeministischen Standpunkt und ihre antiintellektuelle Grundhaltung, indem sie wiederholt die Abschaffung der Gender Studies fordert. Verschiedene Anfragen der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zeigen, dass sie auf der Suche nach Möglichkeiten ist, die Gender Studies und (hochschul-)politisch interessierte Studierende zu diskreditieren. Im Dezember 2017 stellte sie zwei Anfragen, in denen die Legitimität der Gender Studies infrage gestellt wurde.7 Und bereits im März 2017 stellte Martin Trefzer eine Anfrage zur Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften, in der er versuchte, Studierende durch Vandalismusvorwürfe und die Unterstellung, es gebe personelle Überschneidungen mit linksextremen Gruppierungen, zu kriminalisieren.8 Diese Behauptung ist dabei ein wiederkehrendes Narrativ, wie vor allem die Aktivitäten der Fraktion im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung im letzten Jahr zeigen.9 Das Gemunkel um die vermeintlich unrechtmäßigen Machenschaften der ASten und StuPas, das durch verschiedene Medien ging, bot der AfD entsprechend einen dankbaren Anlass, noch tiefer zu bohren. Aber nicht nur Studierenden unterstellte die AfD eine Nähe zu »Linksextremen«; auch Politiker*innen, Parteien, Stiftungen, Gewerkschaften, Jugendzentren und zivilgesellschaftliche Vereine etc. waren Gegenstand ähnlicher Anfragen10 – kurz: alle, die die politischen Positionen der AfD nicht teilen und ihnen kritisch gegenüberstehen (könnten). Das eigentliche Interesse dahinter ist klar ersichtlich: es geht der AfD darum, politische Gegner*innen einzuschüchtern und zu diskreditieren, indem sie zeigt, dass Informationen über sie gesammelt werden und wenn nötig Verbindungen zwischen Zivilgesellschaft und vermeintlichen »Linksextremen« konstruiert werden können, um ihre Legitimation infrage zu stellen. Eine Feindesliste, die sich aus diesen Anfragen sowie jenen der AfD-Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen rekonstruieren lässt, hat das Bündnis Berlin gegen Rechts im Februar 2018 veröffentlicht.11 So viel zum Thema der vielbeschworenen »Meinungsfreiheit«.
Die Bedeutung der Universitäten für die AfD
Auch wenn die AfD sich neben ihrer Arbeit in den Landesparlamenten in Bezug auf hochschulpolitische Themen bisher wenig bemerkbar macht, sollte die Bedeutung der Universitäten für die neurechte Partei nicht unterschätzt werden. Gerade für die Intellektualisierung ihrer Ideologie und die Rekrutierung zukünftiger Mitarbeiter*innen sind Universitäten wichtige Angriffspunkte. Derzeit versucht die Neue Rechte in Deutschland noch, sich einen intellektuelleren Anstrich zu geben, indem sie ihren Einrichtungen universitär anmutende Bezeichnungen gibt (»Institut für Staatspolitik«, »Bibliothek des Konservatismus«, etc.). Für die Verbreitung ihrer Positionen in akademischen Kreisen sind diese Institutionen aber langfristig – aufgrund ihrer geringen Zahl und klar identifizierbaren ideologischen Ausrichtung – nicht ausreichend. Neue Mitarbeiter*innen finden neurechte Parteien bisher vor allem über Burschenschaften, wie ein Blick nach Österreich zeigt. Dort sind sie ein wichtiger Rekrutierungspool für die rechte FPÖ (»Freiheitliche Partei Österreichs«). In Deutschland versucht die AfD teilweise mit AfD-Hochschulgruppen an den Universitäten Einfluss und Mitglieder zu gewinnen. Die Hochschulgruppen vertreten eine ähnliche Agenda: im Fokus stehen Antifeministische Positionen und die Delegitimierung von Studierendenvertreter*innen durch Intransparenzvorwürfe. Damit ist sie bisher aber kaum erfolgreich. Teilweise übernimmt auch die sogenannte »Identitäre Bewegung« (IB) die Funktion der Einflussnahme und Mitgliedergenerierung, wie es etwa in Halle der Fall ist.12 Aktuelle Recherchen belegen nicht nur, dass die AfD-Bundestagsfraktion weitreichende Verbindungen in neonazistische Kreise hat, sie zeigen ebenfalls, dass jene Gruppen auch hierzulande wichtige Rekrutierungspools sind..13
»Mut zur Wahrheit«: Was sollten wir (nicht) tun?
Im Kampf gegen neurechte Kräfte an der Universität sind nicht nur die Studierenden gefragt, sondern auch die Lehrenden und Forschenden sowie alle Personen, die an der Uni arbeiten und sich in ihren Räumen aufhalten. Personell und ideologisch zeigt die AfD ihre Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut inzwischen recht offen. Das wird besonders deutlich durch ihre intellektuellen Bezüge auf die »Konservative Revolution« in der Weimarer Republik, deren Vertreter als Vordenker des Nationalsozialismus gelten, durch ihre Vorstellungen von einer ethnisch und kulturell homogenen Volksgemeinschaft14 und durch die enge Zusammenarbeit mit neonazistischen Kadern bis in die höchste Parteiebene hinein.
Entsprechend wenig hält die AfD von demokratischen Werten und der Gleichwertigkeit der Menschen. Wie also umgehen mit Vertreter*innen der Neuen Rechten an der Uni? Die Antwort liegt auf der Hand: so wie mit allen rechtsradikalen Parteien und Neonazis – wir müssen sie ausgrenzen. Dafür ist es zunächst wichtig, ihre Personalien, Symbole und Argumentationsmuster kenntlich zu machen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihnen ist dabei jedoch nur möglich, solange sie Forschungsgegenstand und nicht -partner*innen sind. D.h. wir sollten zwar über sie reden, aber nicht mit ihnen. Zahlreiche Fernsehsendungen zur besten Sendezeit, Interviews in Zeitungen und Podiumsdiskussionen auf Buchmessen haben gezeigt, dass selbst Intellektuelle nicht im Stande sind, Vertreter*innen der Neuen Rechten davon abzuhalten, diese Formate als Bühne für die eigene Inszenierung (i.d.R. als Opfer) zu nutzen. Zumal die Akzeptanz von Rechtsradikalen als gleichwertiger Gesprächspartner*innen unweigerlich zum Ausschluss vieler Menschen von der Diskussion führen würde, sofern sie es nicht auf sich nehmen können oder wollen, sich aus einer defensiven Position zu den sie betreffenden Ungleichwertigkeitsvorstellungen ihrer Diskussionspartner*innen verhalten zu müssen. Und das ist ohne Diskussion zu respektieren. Alles andere zeugt nicht von »Toleranz« gegenüber der Meinungsvielfalt, sondern von absoluter Empathielosigkeit gegenüber allen Menschen, die im Fokus rechter Gewaltfantasien stehen und/oder deren Opfer wurden. Gerade in einer Zeit, in der die rassistische AfD zunehmend als »normale« Akteurin im Parteienspektrum akzeptiert wird, während sich Vertreter*innen der Neuen Rechten bemühen, den Rahmen des Sagbaren in menschenfeindliche Bereiche zu verschieben und die Zahl rassistischer Übergriffe und Anschläge kontinuierlich steigt, ist es wichtig, Solidarität mit den Betroffenen Rechter Hetze und Gewalt zu zeigen.
Für uns als Studivertreter*innen und Studierende der HU bedeutet das in der Konsequenz, dass wir uns klar positionieren müssen. Wir stehen solidarisch hinter allen Mitgliedern der Uni, die von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betroffen sind. Eine Partei, deren Vertreter*innen regelmäßig Positionen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vertreten, die mit Neonazis zusammenarbeitet und als parlamentarischer Arm von neurechten Faschist*innen auftritt, kann nicht in demokratischen Strukturen geduldet und als gleichwertige Diskussionspartnerin akzeptiert werden. Wir haben keine gemeinsame Diskussionsgrundlage – denn unsere Werte sind nicht verhandelbar.
1 Vgl. Anfrage des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer vom 26.01.2018, Drucksache 18/13307.
2 Vgl. BerlHG §18.
3 Vgl. BerlHG §19 Abs. 4.
4 Vgl. Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe vom 05.12.2017, Drucksache 18/12923.
5 Vgl. Anfrage des CDU-Abgeordneten Hans-Christian Hausmann vom 25.01.2018, Drucksache 18/13293.
6 Siehe dazu die Richtigstellung unter dem Titel »UnSinn« in der Huch#87 sowie auf der Webseite des RefRats: http://www.refrat.de/article/47.html.
7 Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin am 12.12.2017, Drucksachen 18/12 929 und 18/12 930.
8 Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin am 16.03.2017, Drucksache 18/10 794.
9 Vgl. Sitzungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung am 11.09.2017, Inhaltsprotokoll 18/8 S. 5 und am 11.12.2017, Wortprotokoll 18/13 (aktuelle Stunde).
10 Darunter: Linksextremistische Netzwerke in Berlin (Agh 22.08.2017, Drucksache 18/12 127); Struktureller Linksextremismus in Berlin (Agh 27.06.2017, Drucksache 18/11 772); Verbindungen zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Linksextremen Szene (Agh 06.11.2017, Drucksache 18/12 615); Steuergelder für den Sozialismus und Kommunismus – Sozialistische Jugend ›die Falken‹ e.V. (Agh 20.11.2017, Drucksache 18/12 734); Kampf gegen Rechts aus Steuermitteln (Agh 13.07.2017, Drucksachen 18/11 786 – 796; Agh 28.11.2017 Drucksachen 18/12 849 – 859).
11 Berlin gegen Rechts: Im Visier der AfD Berlin, 08.02.2018: https://berlingegenrechts.de/2018/02/08/im-visier-der-afd-berlin/.
12 Zur Relevanz der Universitäten für die Neue Rechte s. Sara Entzberg: Nachwuchs aus den Universitäten, in: der rechte rand, 170/2018, S. 28–29.
13 Taz, apabiz, der rechte rand: Rechercheprojekt Netzwerk AfD. 300 rechte Helfer im Bundestag, 13.04.2018: https://www.taz.de/!5498386/.
14 Dazu mehr in: Michael Wildt: Volk, Volksgemeinschaft, AfD. Hamburg 2017.
2 Antworten auf „Genderwahn, Linksextreme und die AfD – Eine Positionierung – HUch#88“
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