Desiderius-Erasmus-Stiftung: die AfD auf dem Campus! – HUch#93

| von Marcus Kell |

Die Bundestagswahl und der zweite Einzug der AfD ins Parlament bedeuten auch für den Uni-Campus Veränderung – und Bedrohung. Vor dem Hintergrund einer möglichen Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung stellt sich die Frage, was auf die Studierendenschaft nun zukommt.

Bild: HUch-Redaktion

Bisher gibt es in Deutschland sechs anerkannte Stiftungen, die mit Parteien im Bundestag verbunden sind: die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES – SPD), die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS – CDU), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS – CSU), die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS – FDP), die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS – Die Grünen) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS – Die Linke). Alle sechs erhalten staatliche Gelder zur Finanzierung ihrer Aufgaben als Stiftung. Diese umfassen in der Regel drei Themenschwerpunkte: politische Bildungsarbeit, Studienförderung (wissenschaftliche Forschung) und demokratiefördernde Auslandsprojekte.[1]

Der Rahmen der Förderung ist dabei recht offengehalten. Hauptvoraussetzung für eine Stiftungsfinanzierung ist die Anerkennung durch eine im Bundestag vertretene Partei als ihre parteinahe Stiftung. Zusätzlich muss diese Partei mindestens zweimal in den Deutschen Bundestag eingezogen sein.[2] Die AfD ist bei der Bundestagswahl 2017 erstmalig in den Bundestag eingezogen, die Anerkennung der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) als der AfD nahe stehend erfolgte erst 2018, nach einem internen Parteistreit zwischen ihr und der Gustav-Stresemann-Stiftung, die ebenfalls diese Rolle angestrebt hatte.[3] Dabei überrascht es nicht, dass die Köpfe der Desiderius-Erasmus-Stiftung auf Parteilinie sind und inhaltlich für die Positionierungen der AfD stehen.[4]

Mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag am 26.09.2021 ist die Desiderius-Erasmus-Stiftung nun erstmals finanzierungsberechtigt.  Wie hoch die Summe sein wird, die der Stiftung nun zufällt, ist noch nicht genau bekannt. Die Verteilung der gesamten Stiftungsgelder (ca. 600 Millionen pro Jahr) übernimmt der Haushaltsausschuss des Bundestages. Eine recht konservative Schätzung spricht jedoch von 7 Millionen Euro im Jahr 2022 und einer Verdopplung dieser Summe ab 2023, die der AfD-Stiftung zustehen könnte. Die AfD selbst geht von einer Summe von 50-80 Millionen über die nächsten Jahre aus. Die genauen Zuteilungen übernehmen die Stiftungen dabei untereinander in Absprache.

Auf ihrer Internetpräsenz frisst die DES Kreide und gibt sich den Anstrich einer gemäßigten Organisation. So hantiert sie mit Zitaten von Hannah Arendt, oder gibt vor, einen »Völkerverständigungsgedanken« zu verfolgen.[5] Auf der Website der Bildungsstätte Anne Frank findet sich ein Überblick zu einzelnen Verantwortlichen bei der Stiftung. Jede dieser Personen vertritt höchst problematische Positionen. Im aktuellen Vorstand finden sich als stellvertretende Vorsitzende Dr. Klaus Peter Krause und Dr. Joachim Keiler. Krause, ein ehemaliger Redakteur der FAZ, tritt inzwischen nur noch als Autor für Publikationen in Erscheinung, die der neurechten Bewegung zugeordnet werden (Junge Freiheit und eigentümlich frei). Dr. Joachim Keiler ist Mitglied des Landtags für die AfD in Sachsen und vertritt die entsprechenden politischen Positionen. Inhaltlich mit absurden Relativierungen hinsichtlich des NS, wie etwa seiner auf Twitter verbreiteten Vermutung, dass Erwin Rommel wegen »seiner Menschlichkeit beliebt« gewesen wäre.[6] Und praktisch mit seiner anwaltlichen Tätigkeit als Verteidiger im Prozess um die Beschuldigten im Fall der rechtsextremen Freital-Gruppe.[7] Im medialen Zentrum und als Vorsitzende der DES nimmt Erika Steinbach sicher eine Schlüsselposition ein. Sie war bis 2017 in der CDU aktiv und dort dem rechtskonservativen Flügel zuzuordnen. Bis 2014 war sie Vorsitzende des berüchtigten Bundes der Vertriebenen[8] und fiel schon zu dieser Zeit durch geschichtsrevisionistische Positionen auf.[9] Im weiteren Verlauf ihrer Karriere (ob 2016 im Kontext der Flüchtlingsbewegungen[10] oder während der Corona-Pandemie[11]) ist Erika Steinbach ihrer Linie treu geblieben und findet dabei Zuspruch bis in die tiefsten Ecken des rechtsextremen Lagers. So wurde ihr zuletzt selbst aus den Reihen ihrer ehemaligen Partei eine moralische Mitschuld am Tod von Walter Lübcke attestiert, den sie zuvor über ihre Social-Media-Accounts für seine Geflüchtetenpolitik angeprangert hatte.[12] Der ehemalige Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde 2019 in seinem Wohnhaus von einem Rechtsextremisten erschossen.

Wofür ein Großteil der zu erwartenden Stiftungsgelder eingesetzt werden dürfte, erscheint daher recht eindeutig. Meron Mendel von der Anne-Frank Bildungsstätte prognostiziert, dass »die Desiderius-Erasmus-Stiftung in Schulen und Hochschulen aktiv wird, und dort bislang ‚unsagbare Positionen‘ beispielsweise in der Flüchtlingspolitik etabliert«. Dass dies keine übertriebene Sorge ist, bestätigt die AfD dann auch unmittelbar selbst in Form des Vorsitzenden ihrer Jugendorganisation, der Jungen Alternative, Carlo Clements: »Die erste Hoffnung liegt ja auf der Hand, nämlich die Gewinnung, Förderung und akademische, geistesgeschichtliche Ausbildung von Studenten, die uns grundsätzlich nahestehen.«[13] Dies bedeutet, dass die Stiftung in Zukunft versuchen könnte, direkt an den Universitäten neue Generationen rechter Kader heranzuziehen.

Zwar gibt es von verschiedenen Seiten Bestrebungen, diese Entwicklung noch zu verhindern, aber ob dies gelingen kann, ist fraglich. Die sechs anderen Stiftungen haben sich bereits gegen eine Zusammenarbeit ausgesprochen, die Anne Frank Bildungsstätte versucht seit einigen Wochen, mit einer groß angelegten Aufklärungskampagne das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und auch im Bund wird über die Verabschiedung einer Demokratie-Klausel, bzw. strengeren Vorgaben für Stiftungen, um die antidemokratischen Bestrebungen der AfD zum Ausschlusskriterium für eine Stiftungsfinanzierung zu machen, nachgedacht.[14] Dabei muss die vom Bund angedachte Demokratie-Klausel differenziert betrachtet werden, denn sie betrifft nicht nur die jeweiligen Organisationen und Stiftungen, sondern erweitert sich auch auf die von ihnen geförderten Projekte. Gerade aus konservativen Kreisen ist bereits in der Vergangenheit im Geiste der Hufeisentheorie der Versuch erfolgt, dies gegen von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte antifaschistische Projekte einzusetzen, was die RLS bereits 2011 in einem Beitrag kommentiert hat.[15]

Dass die DES nun also mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit von nicht geringen Summen staatlicher Gelder Gebrauch machen können wird ist, insbesondere vor dem Hintergrund mit Sorge zu betrachten, dass die AfD seit Jahren versucht, an den Universitäten Fuß zu fassen. Dort vertretene progressive Ansätze, ein allgemeines Klima der Offenheit und Selbstbestimmung stehen im extremen Gegensatz zu ihren gesellschaftlichen Vorstellungen und sind ihnen ein Dorn im Auge. Bisher erfolgten diese Angriffe entweder über politischen Druck und Forderungen[16], oder über die Aufstellung eigener Studierenden-Listen zu den Wahlen der Studierendenparlamente. Dabei treten die Gruppen mittlerweile offen auf, wie beispielsweise 2018 an der FU Berlin[17], oder in verdeckter Form, wie schon 2016 in Kiel zu sehen war.[18]

Es bleibt zu vermuten, dass in nächster Zeit der Versuch rassistischer und antisemitischer Menschen, Parteien und Stiftungen, an den Universitäten Einfluss zu gewinnen, noch deutlich zunehmen wird. Bei den daraus resultierenden Folgen geht es nicht nur um die Sicherheit auf dem Campus, gerade für marginalisierte Gruppen, sondern auch um eine weitere Steigerung im Gewöhnungsprozess an rechtsradikale Positionen. Die Bildungseinrichtungen sind im besten Fall ein Eckpfeiler für den Anstoß emanzipativer gesellschaftlicher Veränderungen und die Vermittlung von Grundwerten an folgende Generationen. Diese jetzige Ausgangslage ist über Jahre hinweg hart erkämpft und erarbeitet worden und damit keine Selbstverständlichkeit. Noch bis in die 50er Jahre waren viele Universitäten Hort konservativer Lehre, ehemaliger NSDAP-Kader und rechter Burschenschaften. Dieses Erbe wurde erst mit den Hochschulreformen ab 1960 langsam verdrängt. So bleibt es am Ende auch die Aufgabe jeder einzelnen studierenden Person, des Professoriums und anderer Statusgruppen an den Universitäten, hasserfülltes Gedankengut vom Campus fernzuhalten. Die AfD oder die Desiderius-Erasmus-Stiftung in den universitären Alltag zu inkludieren, spricht eben nicht für ein schmerzhaftes Erfüllen der Demokratiedefinitionen, sondern ist die fatale Türöffnung für eine regressive, antidemokratische Wende.


[1] Bundeszentrale für politische Bildung: Politische Stiftungen, online unter: www.bpb.de

[2] Bildungsstätte Anne Frank e.V.: Kein Geld für die AfD, online unter: www.kein-geld-fuer-die-afd.de

[3] Nadine Lindner: AfD will parteinahe Stiftung benennen, 09.03.2018, Deutschlandfunk, online unter: www.deutschlandfunk.de

[4] Bildungsstätte Anne Frank e.V.: Köpfe der Stiftung, online unter: www.stiftungstrick-der-afd.com

[5] Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V., online unter: https://erasmus-stiftung.de/

[6] Bundesverband RIAS e.V., Tweet vom 19.10.2018, online unter: https://twitter.com/report_antisem/status/1053270059542548480?s=21

[7] Alexander Schneider: Terror Prozess: ›Wir werden geflutet, 12.09.2020, Sächsische Zeitung, online unter: www.saechsische.de

[8] Samuel Salzborn: Deutsche zuerst, online unter: www.hagalil.com

[9] Robert Zurek: Steinbach will Geschichte umkrempeln, 05.03.2009, Frankfurter Rundschau, online unter: www.fr.de

[10] ZEIT ONLINE: Geschmacksloser geht’s nicht, 28.02.2016, online unter: www.zeit.de

[11] Till Eckert: Für Erika Steinbachs Behauptung über die Herkunft von Corona-Patienten gibt es keine Grundlage, 25.02.2021, CORRECTIV, online unter: www.correctiv.org

[12] Carolin Wollschied: ›Du trägst Mitschuld an seinem Tod, 24.06.2019, Frankfurter Allgemeine Zeitung, online unter: www.faz.net

[13] Nadine Lindner: Wird die Desiderius-Erasmus-Stiftung bald öffentlich gefördert?, 25.07.2021, Deutschlandfunk, online unter: www.deutschlandfunk.de

[14] Gareth Joswig: Mehr wehrhafte Demokratie wagen, 30.09.2021, taz, online unter: www.taz.de

[15] Friedrich Burschel: Auf ein Wort: Extremismus, Mai 2011, Rosa-Luxemburg-Stiftung, online unter: www.rosalux.de

[16] Studierendenrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Stellungnahme zum Antrag der AfD-Landtagsfraktion, 04.02.2019, online unter: www.stura.uni-halle.de

[17] Allgemeiner Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin: Stellungnahme zur ›Campus Alternative Berlin‹ an der Freien Universität Berlin – rechte Studierendengruppe mit AFD-Verbindung, 06.12.2018, online unter: www.astafu.de

[18] Udo Carstens: BFS verheimlicht AfD Nähe – und wir von Studenten abgestraft, 15.06.2016, shz, online unter: www.shz.de