| von Joana Georgi |
Einen Versuch, sich Worte von vergangenen Generationen von Frauen vorzustellen, unternimmt unsere Autorin in diesem kurzen Gedicht. Dabei geht sie auf schmerzhafte Brüche und heilsame Verbindungen ein. Auf dass wir weiter kämpfen.
Wir waren vor euch da.
Wir haben Leben gelebt. Wir haben Leben gelebt, die uns zerrüttet haben.
Verbittert. Verdrängt. Unsichtbar.
Wir haben Ehen geführt. Wir haben Ehen geführt, die uns klein gehalten haben.
Wir haben keine Kinder bekommen. Wir haben Kinder bekommen.
Wir mussten gehen.
Wir sind gestorben.
Wir sind mehrfach gestorben.
Wir konnten nicht zurück.
Wir haben euch vorgesungen.
Wir haben euch verstoßen.
Wir haben euch geschlagen.
Wir wurden geliebt. Wir haben geliebt.
Wir haben Liebe mit Leid verwechselt.
Wir haben bereut.
Wir haben es dennoch geschafft.
Wir haben gekämpft.
Wir waren lesbisch und konnten es nicht zeigen.
Wir waren asexuell, als es noch keine Worte dafür gab.
Wir wurden von unseren Partnern sexuell missbraucht.
Wir dachten, das sei normal.
Und wir haben euch nicht geschützt.
Wir haben gefürchtet, dass ihr uns hasst.
Wir hatten Angst vor euch und was ihr für unser Leben; fur unsere Freiheit bedeutet.
Wir waren rassistisch, sexistisch.
Wir haben andere ausgebeutet.
Wir haben so vieles falsch gemacht.
Wir haben alles versucht.
Wir hatten gute Momente.
Wir hatten Hoffnung.
Wir haben euch alles gewünscht.
Ihr sagt, »Erinnern heißt kämpfen«.
Ihr sagt, ihr erinnert euch. Ihr macht weiter.
Wir wissen nicht mehr, wie.
Unser Schmerz ist überall.
Wir hoffen, dass der Eure nicht so groß sein wird.