| Benjamin Kley |
Wer sich in den vergangenen Jahren an Universitäten beworben hat, wird vermutlich von der Plattform „uni-assist“ gehört haben. Ein Portal, das eigentlich die Bewerbungen für ein Studium erleichtern könnte, tut dabei allerdings das Gegenteil. Die Realität beinhaltet horrende Kosten und gelebten Rassismus.
Die Vereinfachung des Hochschulzugangs ohne deutschen Bildungsabschluss: Das hätte die Aufgabe des Vereins sein sollen, den der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Hochschulrektorenkonferenz und einige Hochschulen (darunter die Humboldt-Universität zu Berlin) 2003 gründeten. Tatsächlich entwickelte sich der Verein über die kommenden Jahrzehnte zu einem der Hauptinstrumente deutscher Hochschulen, um Studierenden aus dem Ausland den Hochschulzugang zu verweigern. Bis heute wird die fragwürdige Praxis des Vereins „uni-assist“ an der Humboldt-Universität und an zahlreichen anderen Universitäten im Land eingesetzt.
Was ist uni-assist?
Das Kerngeschäft von uni-rassist ist simpel: Der Verein überprüft die Hochschulzugangsberechtigungen von Studierenden, die keinen Abschluss aus Deutschland haben. Anschließend leitet er ihre Bewerbungen an die Universitäten weiter. Laut der Website von uni-rassist richten sich die Kosten, die den Bewerber_innen für diesen Service entstehen, nach sogenannten „den realen Kosten“.1 Allerdings ist diese „Überprüfung“ nicht viel mehr als der Abgleich der ausstellenden Stelle mit vorhandenen Tabellen von Bildungsinstitutionen und eine Umrechnung der Noten auf das deutsche Benotungssystem. Die Zeugnisse selbst müssen die Bewerber_innen auf eigene Kosten beglaubigt übersetzen lassen.2
Die „realen Kosten“, die der Verein für diese Leistung in Rechnung stellt, betragen 75€ für die erste Bewerbung im Semester plus weitere 30€ für jede zusätzliche Bewerbung. Wenn sich eine Person also an mehreren Studienstandorten oder sogar für mehrere Studienfächer bewirbt, können schnell Kosten in Höhe von mehreren Hundert Euro entstehen – zuzüglich der gegebenenfalls mehrfach anfallenden Gebühren für die beglaubigte Zeugnisübersetzung, die bis zu zehn Euro pro Seite betragen können. Dies steht in keinem Verhältnis zur erbrachten „Leistung“ des Vereins und den real anfallenden Kosten, was von den Studierendenschaften an den betroffenen Universitäten seit vielen Jahren kritisiert wird. Bereits 2013 zog der RefRat als Fazit zu uni-rassist: „Es ist eine Schikane, der viele Studierende sich unterziehen müssen, um hierher zu kommen, und die dafür sorgt, dass noch viele mehr draußen bleiben.“3
Welche weiteren Probleme gibt es mit uni-assist?
In der Vergangenheit – zuletzt 2020 – kam es wiederholt zu Komplikationen dadurch, dass uni-rassist Bewerbungen nicht rechtzeitig bearbeiten und übermitteln konnte, sodass für Bewerber_innen erhebliche Nachteile entstanden. Während die Hochschulen bereits Zulassungsverfahren durchführten, wurden die Bewerbungen von Studierenden, die sich über den Verein bewarben, noch gar nicht an die Hochschulen übermittelt – Studierende ohne deutschen Bildungsabschluss erfuhren also erst deutlich später, ob sie überhaupt einen Platz erhalten würden. Da sich viele dieser Studienbewerber_innen zudem aus dem Ausland um Wohnungen und komplizierte aufenthaltsrechtliche Notwendigkeiten kümmern müssen, kann eine solche Verzögerung den Antritt eines Studiums bereits im Vorfeld verhindern. Fehlen auch noch Unterlagen, macht diese Verzögerung ein Nachreichen unmöglich.4
Verursacht wurden viele dieser Verzögerungen durch Streiks bei uni-rassist, da der Verein zahlreiche Angestellte nur in befristeten Lückenverträgen als Saisonarbeitskräfte beschäftigt, wodurch die Personen zwischendurch mehrere Monate in die Arbeitslosigkeit getrieben werden. Auch die Arbeitsbedingungen wurden in der Vergangenheit von Beschäftigten stark kritisiert, da sie durch den übermäßigen Stress zu vielen Fehlern führen würden.5
Wieso verwendet die HU uni-assist?
Trotz dieser erheblichen Belastung für die Studienbewerber_innen, der damit einhergehenden rassistischen Vorauswahl potenzieller Studierender und der äußerst kritikwürdigen Zustände bei uni-rassist, hält die Humboldt-Universität seit seiner Gründung an dem Verein fest. Die Gründe dafür scheinen in Anbetracht der Faktenlage äußerst dünn.
Die Anforderung, uni-rassist für Bewerbungen zu nutzen, erschwert den Rechtsweg erheblich, wenn eine Bewerbung abgelehnt wird. Anstatt wie üblich das Einklageverfahren zu nutzen und gegen den Bescheid einer Behörde zu klagen, müssen die Studierenden gegen die oft sehr undurchsichtige Entscheidung eines Vereins vorgehen, der sich schlicht weigert, die Bewerbung an die Uni weiterzuleiten. Dadurch ist es für die meisten Bewerber_innen faktisch unmöglich, gegen die Entscheidung von uni-rassist vorzugehen.6
Selbst dann, wenn Bewerbungen an die Unis weitergeleitet werden, ist es durch die erwähnten Verzögerungen oft unmöglich, Klage- und Antragsfristen einzuhalten. Dieser Verein ist folglich ein effektives Mittel für die Universität, um rechtmäßige Studienplatzklagen zu unterbinden. Bei dem Versuch, die Universität zum Austritt aus uni-rassist zu bewegen, wird dem RefRat in der Regel jedoch ein anderer Grund genannt: Es sei wirtschaftlicher, die Anerkennung von Abschlüssen an den Verein auszulagern. Für die Humboldt-Universität, deren ehemalige Präsidentin Sabine Kunst gleichzeitig Vorstandsvorsitzende des Vereins war, ist es wesentlich einfacher und deutlich profitabler, die Kosten für die Prüfung den Studieninteressierten aufzuerlegen, anstatt selbst eine qualifizierte Prüfstelle einzurichten und zu finanzieren. Auch das Land Berlin weigert sich trotz wiederholter Aufforderung durch Studierendenvertreter_innen, diese Aufgabe zu übernehmen.7
Diese systematische Benachteiligung von Studierenden ohne qualifizierenden deutschen Bildungsabschluss ist diskriminierend und rassistisch. Bereits 2014 erklärte der Bundesverband ausländischer Studierender: „[U]ni-assist stellt in unseren Augen ein intransparentes, sozial ungerechtes und teures Konzept dar. Die Kosten für ein solches Verfahren werden meist komplett auf die Bewerber*innen umgelegt. Gebühren werden nicht nach ‚Arbeitsaufwand‘, also nach Herkunftsland der Zeugnisse, sondern nach Pass der sich Bewerbenden eingezogen. Dies ist eine klare herkunftsbezogene Diskriminierung.“8
Die deutschen Universitäten haben mit diesem Verein ein System geschaffen, das willkürlich internationale Studierende – oft aus dem Nicht-EU-Ausland – am Bildungszugang in Deutschland hindert. Da für diese Studienbewerber_innen daran oft auch Aufenthaltstitel hängen, machen sich die Universitäten, die uni-rassist nutzen, neben der finanziellen Diskriminierung auch am deutschen Abschiebesystem mitschuldig.9 Für Studierendenvertreter_innen kann es daraus nur eine logische Konsequenz Schluss folgen: Uni-rassist muss weg!
Wie werden wir uni-assist los?
Der Kampf gegen uni-rassist wird nun bereits seit zwei Jahrzehnten geführt. Angesichts der Tatsache, dass der Verein weiterhin zur Selektion finanzstarker Bewerber_innen genutzt wird, willkürliche Vorauswahlen ermöglicht und seit seiner Einführung unzählige Studienvorhaben ruiniert haben dürfte, stellt sich die Frage, wie wir als Studierendenschaft gegen uni-rassist vorgehen können.
In den letzten Jahren konnten an diesem Punkt auch Fortschritte erzielt werden: 2018 ging ein fünfjähriges Verfahren zuende, in dem die Studierendenschaft eine Klage gegen die Bewerbungspraxis an der HU unterstützt hat. In dem Ergebnis des Verfahrens10 macht das OVG Berlin Brandenburg deutlich, dass auch Bewerber_innen ohne deutsche Hochschulzugangsberechtigung die direkte Bewerbung an der Universität zusteht. Allerdings setzen die Universitäten dies in der Regel kaum um und informieren nicht über diese Möglichkeit.11
Zuletzt bestand die Hoffnung, dass mit dem Abgang von Sabine Kunst und der damit endenden Personalunion zwischen der Leitung der HU und uni-rassist neue Bewegung in die Gespräche zwischen RefRat und Universitätsleitung zu dem Thema kommt. Diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Universitätsleitung hat deutlich gemacht, dass sie sich eine eigene Anerkennungsstelle nicht leisten wird.
Da sich die Hochschulen eine Anerkennungsstelle also weder leisten können noch wollen, wäre eine weitere Perspektive, das Land dazu zu bringen, an dieser Stelle einzugreifen. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege kann eine solche Anerkennungsstelle hochschulübergreifend einrichten. Bis zur Einrichtung dieser Stelle muss das Land Geld zur Verfügung stellen, um Studieninteressierten eine gebührenfreie Bewerbung zu ermöglichen. Dazu können die Studierendenschaften beispielsweise Druck auf die aktuelle Senatorin, Ina Czyborra (SPD), aufbauen.
Ohne Schaffung eines konkreten Problembewusstseins und ohne eine breite Mobilisierung in den Studierendenschaften wird dies allerdings keinen Erfolg haben. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, stetig das Wissen um dieses rassistische und diskriminierende Vorauswahlsystem zu teilen: Als Studierende sind wir es unseren (potentiellen) Kommiliton_innen ohne deutschen Abschluss schuldig, dafür zu kämpfen, dass ihnen ein diskriminierungsfreier Hochschulzugang ermöglicht wird. Denn es kann nicht sein, dass – auf den Schultern ausländischer Studierender – weiterhin der Profit an deutschen Universitäten über ihren eigentlichen Bildungsauftrag geht.
1 https://www.uni-assist.de/ueber-uns/profil/
2 https://www.uni-assist.de/bewerben/dokumente-sammeln/zeugnisse/
3 https://www.refrat.de/uni-assist.html
4 http://www.refrat.de/article/press.zulassungsverfahren.unirassist.html
6 https://www.lak-berlin.de/node/994
8 https://bas-ev.de/uni-assist-diskriminierung-abschaffen/
10 Aktenzeichen OVG 5 N 3.16