Kampf gegen die Natur. Eine Lektüre von Jovana Reisingers Roman Still Halten – HUch#88

Von Matthias Ubl

Jovana Reisingers Debüt-Roman Still Halten, der 2017 erschien, wurde zu Recht lobend aufgenommen. Reisinger hat einen ästhetisch anspruchsvollen und hochkomplexen Text vorgelegt, der in seiner Brutalität und seiner feministischen Wucht wie ein illegitimes Kind aus einer Affäre zwischen Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard wirkt. Austrizismen, Berge, Wald, Verzweiflung, Tod: ein österreichisches Buch im besten Sinne. Und doch eben nicht nur das. Denn die weibliche Perspektive, die der Text gebrochen und semantisch zerbrechend einnimmt, enthüllt, was es heißt, zur »Frau« gemacht zu werden und dagegen bis zur völligen Selbstvernichtung zu rebellieren, aber auch, was es heißt, Anders werden zu können. „Kampf gegen die Natur. Eine Lektüre von Jovana Reisingers Roman Still Halten – HUch#88“ weiterlesen

Unter den Trümmern: der kommende Kommunismus. Bini Adamczak über das womögliche Gelingen der Russischen Revolution – Huch#88

Von Olga Montseny

»Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« – Emma Goldman

Was wäre wenn? Mit dieser Frage kann man sich schonmal das Hirn zermartern. Was wäre, wenn ich mich gestern nicht schon wieder betrunken hätte? Dann hätte ich diese Rezension heute vielleicht besser schreiben können. Dem ist aber nicht so. Und damit scheint die Sache erledigt. Das Recht scheint immer auf der Seite der Sieger (hier des Katers) zu stehen, weil diese die Realität für sich in Anspruch nehmen können. Was Existenz und Sein hat und nicht in so luftigen Sphären wie dem Möglichen herum schwirrt, wirkt unmittelbar überzeugender, legitimer. Es konnte sich durchsetzen. Folgt daraus, dass ich eine hoffnungslose Alkoholikerin bin? Dass es nur eine weltfremde Träumerei ist, dass auch das Wesen der guten Rezensentin hätte existieren können? „Unter den Trümmern: der kommende Kommunismus. Bini Adamczak über das womögliche Gelingen der Russischen Revolution – Huch#88“ weiterlesen

50 Jahre »Studentenrevolte«. Über das Verhältnis von Universität und Revolution – HUch#88

Von Joshua Schultheis

»IHR BILDET DIE FÄHIGKEIT DES BLINDEN GEHORSAMS GEGENÜBER EINER VERWIRRENDEN FLUT VON TRIVIALEN VERORDNUNGEN DER BÜROKRATIE AUS. IM NAMEN DER BILDUNG DES MENSCHEN ERWERBT IHR DIE FÄHIGKEIT, ANGESICHTS VON VERORDNUNGEN FÜGSAM ZU SEIN.« „50 Jahre »Studentenrevolte«. Über das Verhältnis von Universität und Revolution – HUch#88“ weiterlesen

Genderwahn, Linksextreme und die AfD – Eine Positionierung – HUch#88

Von Juliane Ziegler für den RefRat

Was ist passiert? Oder: Die AfD interessiert sich für Hochschulpolitik

Ende Januar stellte die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus eine sogenannte kleine Anfrage mit dem Titel Studentenvertretungen an Berliner Hochschulen.1 Sie enthält 39 Fragen über die ASten und die Studierendenparlamente der FU und der TU sowie über den RefRat und das StuPa der HU. Darunter sind allgemeine Fragen z.B. nach der Art der Referate und ihrer historischen Entwicklung, nach der Höhe der Aufwandsentschädigungen der Referent*innen, danach, wie Wahlen und Wahlergebnisse angekündigt bzw. verkündet werden, nach der Organisation der autonomen Referate, nach der Wahlbeteiligung bei den StuPa-Wahlen und den Haushalten der Studierendenschaften. Hinzu kommen aber auch Detailfragen bspw. nach derzeitigen Referenten [sic!], danach, wer Aufwandsentschädigungen erhält und was für Projekte, Veranstaltungen, Publikationen etc. aus dem Haushalt der Verfassten Studierendenschaft bezahlt werden. „Genderwahn, Linksextreme und die AfD – Eine Positionierung – HUch#88“ weiterlesen

Kaputtlachen. Zu Jakob Noltes »Schreckliche Gewalten« – HUch#87

Von Lucas Mielke

»Ich will nicht sterben und ich will mich nicht langweilen. Ich will kein unbelebter Planet sein, das ist alles. Stell dir vor, wie öde es ist, ein Planet zu sein. Man fliegt immer nur im Kreis. Man beschreibt immer nur Ellipsen, und wenn es hochkommt, kollidiert man alle Jahrmilliarden Jahre mal mit einem anderen Planeten.«

Das Bewegungsgesetz in Jakob Noltes Roman Schreckliche Gewalten (2017) scheint der freie Fall ins Leere zu sein. In einer Metapher von Vereinzelung und Monotonie, in der als Höhepunkt im kalten Immer-Wieder nur das unkontrollierte Aufeinanderprallen, also die Begegnung als Katastrophe denkbar ist, wird der Ernst eines Textes deutlich, der dem Ernst scheinbar eine Absage erteilt. „Kaputtlachen. Zu Jakob Noltes »Schreckliche Gewalten« – HUch#87“ weiterlesen

Postkapitalistische Perspektiven – HUch#87

Von Raul Zelik

2016 lautete einer der am häufigsten zu hörenden Sätze: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Und wirklich: In einer ganzen Weltregion von der westafrikanischen Sahelzone bis an die Grenzen Chinas herrscht Krieg. Hunderte Millionen Menschen rätseln, wie sie in ein besseres Leben emigrieren können, ohne auf dem Weg zu ertrinken. In den Megacitys des globalen Südens ist der Drogenhandel zur einzigen Aufstiegsoption für Menschen aus der Unterschicht geworden; als Folge davon zerfallen Rechtssysteme und Gemeinschaften. Und in den wohlhabenden Ländern des Nordens schließlich hofft ein wachsender Teil der Bevölkerung, sich von diesen unheilvollen Entwicklungen durch die Errichtung von Grenzzäunen abkoppeln zu können. „Postkapitalistische Perspektiven – HUch#87“ weiterlesen

Warum Hochschulpolitik – HUch#87

Von Joshua Schultheis

Die ganze Provokation liegt schon im Titel. »Hochschulpolitik« ist ein Unwort in der politischen Linken, auch und vielleicht gerade unter ihren Vertreter*innen an den Universitäten. Das Nachdenken über die strategische Bedeutung der Hochschulen und das emanzipatorische Potential unter den Studierenden und Intellektuellen roch schon immer verdächtig nach Elitarismus und Klassenverrat. Auch in den 1960er Jahren, als man den Studierenden als politischem Agens eine immense Bedeutung beimaß, geschah dies nur widerwillig und quasi hinter vorgehaltener Hand. „Warum Hochschulpolitik – HUch#87“ weiterlesen

Reflexionen über Medizinstudium und Krankenhausalltag – HUch#87

Von Lea Münch

Jonas Salk entwickelte in der Nachkriegszeit in den USA den ersten Impfstoff gegen Kinderlähmung – eine Krankheit, an der zuvor tausende Menschen starben oder die sie mit lebenslang prägenden Lähmungen zurückließ. Reich wurde er mit dieser weltweit gefeierten Erfindung nie. Als er am 12. April 1955 in einem Interview gefragt wurde, wem denn das Patent darauf gehöre, antwortete er schlicht: »Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?« „Reflexionen über Medizinstudium und Krankenhausalltag – HUch#87“ weiterlesen

Der Fall Netiwit Chotiphatphaisal – thailändischem Studierendenvertreter und demokratischem Aktivisten drohen bis zu neun Jahre Haft

Von Matthias Ubl & Thomas Zimmermann

Seit einem Putsch im Jahr 2014 wird Thailand von einer Militärjunta regiert. Sie verkündete zwar, dem Land „Frieden, Ordnung und echte Demokratie“ bringen zu wollen. Die versprochenen demokratischen Wahlen aber lassen seit nunmehr vier Jahren auf sich warten. Dafür geht die Militärregierung in der Zwischenzeit restriktiv gegen Demokratie-Aktivist*innen vor. Die Lage ist paradox und der vorgebliche Plan der Militärs wenig glaubwürdig.

So wurden Anfang vergangener Woche schwere Anklagen gegen sieben Aktivist*innen erhoben, die am Samstag, dem 27. Januar in Bangkok für Demokratie und Wahlen auf die Straße gegangen waren. Der Vorwurf lautet sinngemäß Volksverhetzung sowie Verletzung des herrschenden Verbots politischer Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen. Den Angeklagten drohen nun aufgrund ihrer Beteiligung an der Demonstration sieben bis neun Jahre Haft. 32 weiteren Personen drohen kleinere Strafen. „Der Fall Netiwit Chotiphatphaisal – thailändischem Studierendenvertreter und demokratischem Aktivisten drohen bis zu neun Jahre Haft“ weiterlesen