Von Apollonia zu Hohensteinach
Die Universität ist ein Traum. Ein Traum von einem Ort, dem man sich unwissend anvertraut, um ihn wissend wieder zu verlassen. Welche Art von Wissen worüber dort vermittelt wird, wofür und warum, hat sich mit der Zeit ebenso verändert wie mit ihrer Klientel; jene selbst hat sich am allermeisten verändert. Die Universität als höchste Bildungsinstitution unserer Gesellschaften war traditionell ein Ort der Restriktion und ist es heute, da fallen Illusionen schwer. Aber man munkelt, es habe irgendwann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts merkwürdige Leute gegeben, die die ganze Zeit an nichts anderes dachten als an die Möglichkeit einer freien, emanzipierten Gesellschaft. Diese Leute hatten angeblich ein Faible für Illusionen, und irgendwie stellten sie sich die Universität als das Gewächshaus einer besseren Welt vor. Die Gesellschaft dieser Zeit war durchaus restriktiv; die Universität allerdings hatte darin eine besondere Position: In einem wirtschaftlich aufstrebenden Staat sollte sie die Verwaltungs- und Bildungselite produzieren, also wurde sie reichlich finanziert, und der Zugang zu ihren heiligen Hallen wurde erleichtert. Plötzlich war sie ein Ort, an dem Menschen aus allen möglichen sozialen Lagen zusammenfanden. Einige von ihnen sahen die Möglichkeit, die in ihren Strukturen und Lehrinhalten nach wie vor reaktionäre Institution zu einem Ort der sozialen Assoziation, der Reflexion, des Diskurses, der Kritik zu machen. Von diesem Ort sollte gesellschaftliche Bildung ausgehen. Also protestierten und demonstrierten sie, belagerten sie die Hörsäle und Straßen und veränderten: Universität und Gesellschaft.
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