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Leitung der Humboldt-Universität will umstrittene "Erprobungsklausel" im Berliner Hochschulgesetz nutzen, um Stellen in der Verwaltung mit Studierenden zu besetzen

PM des ÖffRef des RefRats (Referent*innen-Rat, gesetzlich AStA) der Humboldt-Universität und des Personalrats der studentischen Beschäftigten an der HU

Leitung der Humboldt-Universität will umstrittene "Erprobungsklausel" im Berliner Hochschulgesetz nutzen, um Stellen in der Verwaltung mit Studierenden zu besetzen - Senator Müller interveniert

Gemeinsam mit der Einladung zur Sitzung des Akademischen Senats (AS) der Humboldt- Universität zu Berlin (HU) am 14.11.2017 wurde Beschlussvorlage Nummer 125/17 an dessen Mitglieder versandt. Die Universitätsleitung der HU zielt mit ihrer Beschlussvorlage darauf ab, die "Erprobungsklausel" aus Paragraph 7a Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) zu nutzen, um den Tätigkeitsbereich studentischer Hilfskräfte nach Paragraph 121, Absatz 3 BerlHG auszuweiten.

Der Personalrat der studentischen Beschäftigten (PRstudB) hat als eine der betroffenen Personalvertretungen an der HU alle Mitglieder des Akademischen Senats ersucht in der öffentlichen Sitzung am 14.11.2017 gegen die Beschlussvorlage Nummer 125/17 zu stimmen. Dabei wird der PRstudB unter anderem vom Personalrat des Hochschulbereichs, dem Gesamtpersonalrat, den Gewerkschaften (ver.di / GEW) und weiteren Statusgruppen und Einzelpersonen unterstützt.

Auch Studierende des Referent*innenrats (RefRat) der Humboldt-Universität zu Berlin unterstützen das Ablehnungsersuchen des PRstudB. Jan-Martin Zimmermann, Referent*in des Referent*innenrats, der HU hierzu:

"Der aktuelle Versuch der Universitätsleitung der HU die Erprobungsklausel anzuwenden zeigt einmal mehr die hochproblematische Weise in der das Berliner Hochschulgesetz, in diesem Fall Paragraph 7a, verwendet wird, um etablierte Wege der Zusammenarbeit innerhalb der akademischen Selbstverwaltung zu vermeiden." Sowohl der studentische Personalrat der HU und auch ich halten es für sehr bedenklich, dass die Universitätstleitung den umstrittenen Paragraphen 7a BerlHG, also die "Erprobungsklausel" verwenden will. Problematisch findet dieses Verhalten wohl auch Wissenschaftssenator Müller, der das HU-Präsidium heute öffentlich ausgebremst hat. Das zeigt wieder einmal die fehlende politische Sensibilität und die mangelnde juristische Kompetenz im HU-Präsidium."

Franziska Baum, Personalrät*in des Personalrats der studentischen Beschäftigten der HU fügt hinzu:

"Nirgends ist ersichtlich, worin überhaupt eine Erprobung bei der Beschlussvorlage der Universitätsleitung der HU gemäß der Regelungen in Paragraph 7a BerlHG liegen soll. Im Gegenteil: Die Beschlussvorlage der Universitätsleitung will die Erprobungsklausel gerade nicht nutzen, um die zuständige Senatsverwaltung zu ersuchen "für eine begrenzte Zeit Abweichungen von den Vorschriften" des BerlHG zuzulassen. Die Universitätsleitung will anscheinend Paragraph 121 Absatz 3 Satz 3 im BerlHG „ersetzen“. Dadurch würde sie geltende Gesetze außer Kraft setzen, bzw. deren Wesensgehalt verändern, nicht neue Modelle erproben. Eine Nutzung der Erprobungsklausel in dieser Art und Weise ist äußerst fragwürdig."

Über die missbräuchliche Anwendung des Berliner Hochschulgesetzes hinaus, würde der Beschluss der Universitätsleitung auch Unsicherheiten für weitere Beschäftigtengruppen erzeugen. Mit einer Ausweitung des Tätigkeitsbereichs studentischer Hilfskräfte über Paragraph 121 BerlHG hinaus eine Tarifkollision mit den Bestimmungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L-HU). Das Vorhaben würde also zusätzliche Unsicherheiten bei der tariflichen Eingruppierung von studentischen Beschäftigten nach sich ziehen.

Jan-Martin Zimmermann,Referent*in des Referent*innenrats, der HU hierzu:

"Paragraph 121 Absatz 3 BerlHG, dient nicht allein dem Schutz der Studierenden, die Studium, Erwerbsarbeit, Gremienarbeit und Reproduktionsarbeit koordinieren müssen sondern gleichzeitig auch den Mitarbeiter*innen aus Technik, Service und Verwaltung (MTSV)! Der gestiegenen Zahl an Studierenden steht seit Jahren kein adäquater Anstieg von Mitarbeiterinnen (MTSV) gegenüber. Vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beschlossenen Kürzungen im Rahmen der Strukturplanung liegt nun die Vermutung nahe, dass hier Weichen gestellt werden, damit Studierenden diese Tätigkeiten zukünftig übernehmen können. Politisch ist das ein Skandal und inakzeptabel gegenüber den eigenen Verwaltungsangestellten und den studentischen Beschäftigten"

Noch im Juli hatte die HU ihren umstrittenen Strukturplan beschossen, der Kürzungen im Personal im Umfang von 6,3% vorsah. Damals konnte die Universitätsleitung auf Nachfrage des PRstudB keinerlei Auskunft erteilen, welche Auswirkung die Strukturplanung auf die studentischen Beschäftigten hat. Auch im Akademischen Senat wurde der Eindruck vermittelt, dass die Strukturplanung keinerlei Auswirkungen auf beschäftigte Studierende hätte. Das Vorhaben, nun den Tätigkeitsbereich von studentischen Hilfskräften auf die Verwaltung auszudehnen, lässt vermuten, dass diese Arbeit zukünftig durch die verhältnismäßig billige Arbeitskraft von Studierenden geleistet werden soll.

Besonders skandalös am Vorgehen der Universitätsleitung ist, dass für die Begründung der Beschlussvorlage die Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV Stud) genannt werden. Die Ausweitung des Tätigkeitsbereichs studentischer Hilfskräfte stellte darin eine zentrale Forderung der Arbeitgeberseite dar. Diese Forderung des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV) soll nun außerhalb von Tarifverhandlungen zwischen KAV und GEW / ver.di einseitig verordnet werden. Beschäftigungsbedingungen, Einsatzbereiche und demnach der Geltungsbereich von Tarifverträgen, Dienstvereinbarungen etc. sind Gegenstände von Aushandlungsprozessen zwischen den Tarifparteien bzw. der Universitätsleitung und den zuständigen Personalvertretungen.

Eine willentlich und wissentlich herbeigeführte Tarifkollisionen wären eine Fehlverwendung der Erprobungsklausel und würden Unsicherheiten für Arbeitnehmer*innen nach sich ziehen. Das Vorgehen der Universitätsleitung führt demnach auch nicht dazu, die rechtlichen Bedenken und Fragen zur Geltung des TV Stud bzw. TV-L-HU auszuräumen. Die Universitätsleitung würde damit rechtliche Unsicherheiten für mehrere Beschäftigtengruppen erzeugen. Dies kann nicht im Interesse der Statusgruppen an der Universität sein, weswegen es die Aufgabe der entsprechenden Interessenvertretungen ist, dies zu problematisieren. Über diese negativen Auswirkungen auf einzelne Statusgruppen hinaus, sollten sämtliche Mitglieder des Akademischen Senats berücksichtigen, dass das Vorgehen der Universitätsleitung das Potenzial hat, dem Ansehen der Humboldt-Universität zu Berlin (nicht nur als demokratische Hochschule) nachhaltig zu schädigen.

Der Akademische Senat sollte das Vorhaben der Universitätsleitung zurückweisen und gegen die Beschlussvorlage Nummer 125/17 stimmen.

Gemeinsam mit den zuständigen Akteuren und Interessenvertretungen sollte die Universitätsleitung - anstelle von "Erprobungen"- frühzeitig und kompromissbereit eine Debatte um eine Aktualisierung des Berliner Hochschulgesetzes und die Demokratisierung von Hochschulen führen und so den Wissenschaftsstandort (hochschul-) gesetzlich und (tarif-) vertraglich sicher, attraktiv, also sozial und zukunftweisend gestalten. Auch der Personalrat der studentischen Beschäftigten und der RefRat werden gern einen Beitrag zu dieser Debatte leisten.
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  • erstellt:13.11.17, 14:38
  • geändert:13.11.17, 18:02