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Fachschaften an der HU Berlin: wer die Uni möglich macht. Eine Meinung aus dem RefRat.

In den Berliner Hochschulen sind als Vertretung der Studierenden die Fachschaften vorgesehen, die sich als Fachschaftsinitiative oder Fachschaftsrat konstitutieren und mit ehrenamtlicher Arbeit ein reichhaltiges Angebot für die Studierenden organisieren. Zum Teil ist dieses Angebot fest im Studienalltag eingeplant und auch notwendig, um überhaupt studieren zu können. Hier wird davon berichtet und darüber aufgeklärt, was in den Fachschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin geschieht.

Die Universitäten sind heute der Austragungsort vieler verschiedener Erwartungshaltungen und dementsprechend immer wieder Spielball von Bildungspolitik. "Die Wirtschaft" möchte möglichst maßgeschneidert schnell ausgebildete Spitzenkräfte, die genau ein Thema können und bestenfalls viel Praxiserfahrung schon im Studium sammeln. Die Politik möchte zeigen, dass sie etwas für Bildung tut. Und wir als Studierende wollen möglichst angenehm studieren und am Ende am besten einen gutbezahlten Job. So weit so kompliziert, das alles unter einen Hut zu bringen. Zum Glück für alle Beteiligten gibt es aber an der Humboldt-Universität zu Berlin sehr aktive Fachschaften, die ehrenamtlich eine Menge Probleme abfangen und einen wichtigen Teil der Uni darstellen. Fachschaften sind im Berliner Hochschulgesetz vorgesehen als die Vertretung der Studierenden eines Fachs oder Instituts und konstituieren sich als Fachschaftsinitiative oder Fachschaftsrat, der teils Studierendenrat heißt.

Meist engagieren sich in Fachschaften die Leute, die ohnehin in ihrem Leben gern Verantwortung übernehmen, anderen helfen, und für die im nicht selten auftretenden Zweifelsfall die Entscheidung für Menschen statt für Zensuren fällt. Denn Fachschaftsarbeit, und es ist größtenteils tatsächlich Arbeit, kostet Zeit, die zu Bachelor/Master-Zeiten in den engen Stundenplänen gar nicht vorgesehen ist. Die Möglichkeiten, durch Fachschaftsarbeit und anderes Engagement länger Bafög oder den studentischen Krankenkassenbeitrag zu erhalten, ist da nur ein schwacher Trost. An der HU ist es aufgrund eines Antrags der Studierenden im Akademischen Senat immerhin möglich, für Fachschaftsarbeit Anerkennung auch in Form von Studienpunkten zu bekommen. (Mehr Informationen zu diesem Thema hier beim Referat für Fachschaftskoordination) Die Motivation für teils nervenaufreibende Diskussionen und kontroverse Gremiensitzungen, denn die Leuten in den Fachschaften sitzen meist auch in den Institutsräten und seinen Kommissionen, ist also nur unter hohem Idealismus nachzuvollziehen. Ohne diese sicherlich insgesamt 500 Menschen in den 40 Fachschaftsvertretungen der HU würde die Uni aber schlicht nicht funktionieren.

Das Studium beginnt für die meisten viel früher als mit der ersten Vorlesung, und zwar bei sogenannten Ersti-Einführungsveranstaltungen. Vom Kennenlern-Frühstück über eine Ersti-Fahrt bis zur komplett studentisch organisierten Vorlesungswoche in Form eines Mathe-Brückenkurses bieten Fachschaften seit Jahren kontinuierlich und professionell vorbereitet den eigentlichen Einstieg in die Uni an. Das geschieht selbstverständlich alles ehrenamtlich und mit viel privater Zeit in der ja eigentlich vorlesungsfreien Zeit, doch die Uni verlässt sich längst auf dieses Angebot und führt die Fachschafts-Veranstaltungen in ihren eigenen Kalendern zum Studienstart an. Diese Situation ist einerseits eine Ehrung der ehrenamtlichen Aktivität, aber gleichzeitig auf gewisse Weise ungerecht, denn Professor_innen und Universitätsleitung werden gut bezahlt, sind aber zum Großteil weit davon entfernt, eine solche Verantwortung für rund 6.000 Erstsemester pro Jahr mit so großer Begeisterung und Freude zu übernehmen, wie es die Fachschaften tun. Die Organisation von Fachschafts-Parties gehört auf jeden Fall dazu, hier ist so manche Erstsemester-Party eine viel freundlichere und schönere Veranstaltung als die mit viel Geld veranstalteten Empfänge des Uni-Präsidiums.

Für das Studium im Sinne des gemeinsamen Umgangs mit den Kommiliton_innen und generell den Studienerfolg sind solche Kennenlern-Veranstaltungen unglaublich hilfreich und geradezu notwendig, denn es entstehen nicht nur Lerngruppen, in denen Studienthemen diskutiert und reflektiert werden, sondern immer wieder jahrelange Freundschaften. Nebenbei bringen sie des Öfteren Kaffee in Gebäude, in denen es keine kommerziellen Angebote gibt, worauf dann auch die lieben Profs gern zurückkommen - auch diejenigen Profs, die den Studierenden manchmal vorwerfen, sie sollten lieber studierend statt sich zu engagieren. Finanziell nutzen Fachschaften die Möglichkeiten, die vom Studierendenparlament geboten werden, das aus den Beiträgen zur Studierendenschaft (8,50 Euro pro Semester) einen Haushalt zusammenstellt und alle Angebote der Studierendenschaft organisiert. So können die Preise für Fachschaftsfahrten in der Regel moderat gehalten werden, da es einen Zuschuss aus der zentralen Kasse gibt. Das Referat für Fachschaftskoordination, die an der HU einzigartige direkte Vertretung der Fachschaften im RefRat, dem AStA der HU, ist hierbei zentraler Ansprechpartner und bietet Fachschaften Hilfe bei der Selbstorganisation oder steht mit Rat und Tat zur Seite, wenn zu viel Last auf zu wenigen Schultern verteilt ist.

Auch innerhalb der Fachschaften finden sich Leute zusammen, um ihr Wissen zu teilen, voneinander zu lernen und vor allem viel Spaß zu haben. Manche Fachschaften nehmen sich jährlich ein Wochenende Zeit für eine Klausurtagung, um gemeinsam zu diskutieren und in einiger Distanz zum Alltag zu überlegen, was verbessert werden kann und vor allem, wie auch im nächsten Jahr die Fachschaft genug Aktive findet, damit die Angebote aufrechterhalten werden können. Denn viele Fachschaften bieten auch ehrenamtliche Studienberatungen an, wofür selbstverständlich fundierte Kenntnisse über Studien- und Prüfungsordnungen anhand eigener und der Erfahrungen anderer praktisch sind. Bei der Einarbeitung oder Übergabe von Aufgaben zeigt sich die Professionalität der jahrelang kontinuierlich aktiven Fachschaften, die für vieles Leitfäden haben und vor allem in der Lage sind, politische Stimmungen im Institut einzuschätzen und entsprechend zu verhandeln, um die gröbsten Probleme der Studierbarkeit abzuschwächen.

Neben den ehrenamtlichen Fachschaften wurde über die Jahre vom StuPa ein selbstverwaltetes Sozialberatungssystem aufgebaut, das zu allen Facetten des studentischen Lebens eine professionelle Beratung von Studierenden für Studierende anbietet. Bekanntestes Beispiel ist die Bafög-Beratung, die viele hundert Fälle pro Jahr berät und am Ende oft dafür sorgt, dass jemand trotz klammer Kasse an der Uni bleiben kann. Gesellschaftlich ist die Tendenz klar, die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander, doch durch solche Bemühungen wie im Beratungssystem wird nachhaltig dagegen gearbeitet, dass die Uni nur noch ein Ort für Reiche wird, die es sich leisten können. Weitere Beratungen bieten Hilfe und Selbstorganisierung für Studierende mit Kind, mit Fragen zum Arbeitsrecht, denn viele müssen ja neben dem Studium auch noch Geld verdienen, oder für von Diskriminierung betroffene Studierende.

Trocken gesagt wäre die Uni ohne das jahrelange Engagement und die vielen verlängerten Studienzeiten der Aktiven vermutlich komplett industrialisiert worden  und ein Studium nur noch unter vollständiger Aufgabe des eigenen Lebens oder Verdienen des Lebensunterhalts neben dem Studium möglich. Das muss als fernes Ziel hinter den vielen angestrebten Maßnahmen der Statusgruppe der Profs klar benannt werden, die immer wieder versuchen, Zwangsexmatrikulationen einzuführen, die Prüfungslast noch weiter zu erhöhen, Nachteilsausgleiche aufzuweichen, Studierende als unmündige Arbeitsmaschinen zu degradieren, und, auch das kam schon vor, ihrem studentischen Gegenüber im Institutsrat nahelegen, lieber die Uni zu verlassen, als Hochschulpolitik zu betreiben. Nebenbei ist dieses Engagement im Berliner Hochschulgesetz vorgesehen, und das ist auch gut so, denn eine autoritär geführte Universität ohne demokratische Beteiligung aller Gruppen wäre ein Albtraum. Es sind wir Studierenden selbst, die ausdauernd immer wieder die Entwürfe für Studienordnungen durchlesen, diskutieren, konstruktive Vorschläge machen und stundenlange Diskussionen durchhalten müssen, damit Studierbarkeit als Kategorie nicht auf einer fremden Galaxie wartet. Wir sind diejenigen, die den Laden am Laufen halten und jedes Jahr wieder den Neuankömmlingen nahelegen, nicht gleich aufzugeben, sondern sich Hilfe zu suchen. Am Ende bekommt die Uni ja sogar Prämien vom Landeshaushalt pro Abschluss in einem Studium, doch davon kommt vorher selten etwas an.

Zum Glück gibt es Fachschaften und all die anderen Ehrenamtlichen.



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  • erstellt:23.02.18, 12:47
  • geändert:23.02.18, 12:57