Rechte Ideologien exmatrikulieren! - Statement gegen rechte Lehre an der FU und in Berlin
Im Folgenden teilen wir ein Statement der Landesastenkonferenz zu rechten Dozierenden an den Berliner Universitäten.
Hintergrund ist der Fall des Dozierenden Michael Grünstäudl an der FU, der unter Studierenden rechte Inhalte teilte. Das ist bei Weitem kein Einzelfall - auch an der HU sind viele ähnliche Fälle bekannt, ohne dass die Dozierenden Konsequenzen fürchten mussten.
Im Statement wird versucht, eine Chronologie der wichtigsten Fälle der letzten Zeit zu zeichnen.
Die LandesAstenKonferenz Berlin unterstützt das Statement des AStA FU Berlin gegen rechtsideologische und diskriminierende Lehre. Noch immer ist Diskriminierung an Berliner Hochschulen ein massives Problem, es mangelt an unabhängigen und handlungsfähigen Beschwerdestellen sowie einem klaren Bekenntnis der Hochschulen gegen rechte Ideologien und jegliche Diskriminierung. Die vorliegenden Fälle unterstreichen die Dringlichkeit bisheriger Forderungen der LAK Berlin im Bereich Antidiskriminierung in BerlHG und Koalitionsvertrag.
Content Note: Wir weisen darauf hin, dass der vorliegende Text rassistische und sexistische Zitate als Beispiele beinhaltet.
Aktuell besteht an der Freien Universität der Fall des Dozierenden Michael Grünstäudl, welcher in seiner Position als Lehrender an der FU rechte Inhalte unter Studierenden teilte. Als Reaktion auf die Aufdeckung von Grünstäudls Verbreitung von rassistischem und faschistischem Gedankengut lässt die FU seinen Vertrag auslaufen - jedoch nur nach vehementem Protest der Studierenden. Die versprochene Aufhebung sämtlicher Lehrverpflichtungen des Dozierenden wurde bisher jedoch nicht umgesetzt. Eine umfangreiche Aufarbeitung oder Reflexion dieses Vorfalles steht noch aus.
Der Fall des Dozierenden Grünstäudl ist kein Einzelfall, weder an der FU, noch in Berlin. Rechte, rassistische und diskriminierende Strukturen gehören zum Alltag an Berliner Hochschulen.
Humboldt-Universität
Auch die Humboldt-Universität zu Berlin kommt ihrem Leitbild gegen jede „Form von Diskriminierung, Intoleranz und kultureller Selbstüberhöhung" einzutreten, nicht immer nach. Es lehren zahlreiche Dozierende, welche sich inner- und außerhalb ihrer Seminare diskriminierend äußern, nachweislich in rechtskonservativen Verbänden aktiv waren oder deren Ideologien nahe stehen, heute noch an der Universität.
Als prominente Fälle sind hierbei das Ex-AfD-Mitglied Prof. Dr. Markus Egg, welcher im Department of English and American Studies der HU lehrt und Jörg Baberowski, welcher als Professor für Geschichte Osteuropas beschäftigt ist, zu nennen. Bei letzterem entschied 2017 sogar ein Gericht, dass es im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig ist, ihn als rechtsradikal zu bezeichnen. Besonders skandalös sind seine verbalen, wie physischen Angriffe auf linke Studierende. So bezeichnete er 2019 eine Studentin öffentlich als "unfassbar dumm und linksradikal", welche zusammen mit einer anderen Studentin daraufhin vor Gericht zog. 2020 riss er einem linken Studenten Wahlplakate für eine linke Hochschulgruppe aus der Hand und drohte diesem an, "was in die Fresse zu hauen". Baberowski sprach sich zudem auch mehrfach öffentlich gegen die Flüchtlingspolitik unter Angela Merkel aus, etwa indem er das „Gerede von der Willkommenskultur" ablehnte. 2022 lehrt Baberowski immer noch an der HU. Auch der Professor Ruud Koopmans vertrat 2016 öffentlich die Thesen, dass "Multikulti für gescheitert" zu erklären sei. 2022 spricht er sich in einem Interview mit dem Magazin "Cicero" erneut kritisch über die aktuelle Migrationspolitik aus.
Technische Universität
Das B*PoC-Kollektiv des AStA TU berichtet von rassistischen Vorfällen, die 2020 über ein anonymes Meldeformular gesammelt wurden:
Projektseminare, in denen als mit türkischer Herkunft gelesene Student*innen mit der Begründung "Turkish students have problems with conceptual design" grundsätzlich schlechter bewertet werden. Lehrende, die Aussagen treffen wie "in Albanien werden nur Löcher gebuddelt", Innovation finde in Deutschland oder den USA statt oder 'die einzige Möglichkeit, den Klimawandel noch aufzuhalten, ist, wenn alle Frauen in Afrika mal lernen würden, zu verhüten'. Auch Fälle, in denen Benachteiligungen von Schwarzen Studierenden als Ausreden abgestempelt oder das N*-Wort unzensiert verwendet werden. Studierende berichteten dem AStA TU außerdem, dass ausgerechnet ein Vertrauensdozierende*r für ausländische Studierende sich immer wieder rassistisch, sexistisch und antisemitisch während seiner Vorlesungen äußerte.
An der TU wird auch das Problem der fehlenden Anlaufstellen für Betroffene gut ersichtlich:
Zwar gibt es einen Antidiskriminierungsbeauftragten, dieser ist jedoch für Angestellte und nicht per se für Studierende zuständig. Zwar heißt es auf dessen Internetseite, dass er allen Zugehörigen der TU zur Verfügung steht, das AGG-Beschwerdeverfahren, welches durch ihn eingeleitet werden kann, richtet sich jedoch allein an die Angestellten. Rechtliche Sanktionierungsmöglichkeiten gibt es nicht. Im Falle eines Verfahrens ist die Uni "als Arbeitgeber*in verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe der diskriminierenden Handlungen zu schaffen".
Außerdem ist der derzeitige Antidiskriminierungsbeauftragte ein weißer cis Mann, der keine Vorkenntnisse im Bereich Antidiskriminierungsberatung aufweisen kann. Rassistische Diskriminierungserfahrungen sind oft traumatisch für Betroffene. Dies macht nicht nur eine Beratung im Sinne des weiteren Vorgehens, sondern auch einen geschützten Raum notwendig, in dem sich Betroffene angemessen unterstützt fühlen und keine Angst davor haben müssen, dass ihnen ihre Erfahrungen abgesprochen oder hinterfragt werden. Eine bessere Alternative wäre eine sogenannte Peer-Beratung, also eine Beratung durch Menschen die von ähnlichen Machtverhältnissen und Diskrimierungformen betroffen sind wie die beratene Person. Eine solche wird u.a. auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als fördernd bewertet und bietet durch das Vertrauensverhältnis zwischen Klient*in und beratender Person die Grundlage für eine herrschaftskritische Beratung.
Aus der Not einer fehlenden Anlaufstelle heraus, haben die B*PoC-Studierenden an der TU sich selbst organisiert und im November 2021 ein autonomes B*PoC-Referat im AStA gegründet. Dass dringend notwendige Antidiskriminierungsarbeit wie so oft vom ehrenamtlichen Engagement Studierender abhängt, ist unverhältnismäßig.
Universität der Künste
An der Universität der Künste sind ebenfalls zahlreiche Lehrpersonen angestellt, die keinerlei Sensibilität für bestimmte Themen mitbringen. Rassistische und sexistische Kommentare sowie Mikroaggressionen sind leider Alltag, insbesondere für internationale Studierende.
Die Studentische Initiative I.D.A, sammelt derzeit anonyme Diskriminierungserfahrungen von Studierenden der UdK und veröffentlicht diese über ihren Kanal auf Instagram (@ida.udk). Die Ergebnisse sind besorgniserregend und die Liste ist lang - Versuche, musische oder künstlerische kulturelle Elemente von internationalen Studierenden durch unangebrachte Kommentare zu erniedrigen und die westlichen Kulturen als überlegen darzustellen, bleiben meist ungeahndet. Neben der Diskriminierung von BIPoC werden ebenso Frauen benachteiligt. Ein sexistisches Beispiel: "Ihr seid alle Frauen, dann können wir ja Schuhe zeichnen".
Die oben genannten sind keine Einzelfälle. Das Problem diskriminierender Lehre an Hochschulen ist struktureller Natur. So erreichten die LandesAstenKonferenz aus nahezu allen Hochschulen Berichte von Studierenden, deren Lehrpersonen in ihren Veranstaltungen das N*-Wort benutzen. Auch werden offensichtlich koloniale Denkmuster an Hochschulen unreflektiert reproduziert und bagatellisiert, rassistische Grundannahmen finden sich ständig in der Lehre wieder.
Die Probleme von Studierenden, die unter struktureller Diskriminierung leiden, werden von Verantwortlichen vielfach klein geredet und sogar als "Ausreden" abgetan. Besonders problematisch dabei ist, dass die Hochschulstrukturen problematisches Verhalten von Lehrkräften oftmals nicht nur nicht aktiv bekämpfen, sondern sogar praktisch unterstützen, da Professor*innen, die sich offensichtlich rassistisch äußern, von Hochschulleitungen der Rücken gestärkt wird oder sich zuständige Stellen nicht in der Lage sehen, etwas gegen Dozierende zu unternehmen. Selbst wenn Studierende nachweislich mehrfach sexuell belästigt oder diskriminiert wurden.
Studierende selbst haben allgemein innerhalb der Hochschulen wenig Handlungsmacht in Bezug auf all jene Probleme. Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl von Dozierenden gibt es faktisch nicht. Bei Berufungskommissionen wie in allen anderen Entscheidungsgremien an Hochschulen können Studierende immer überstimmt werden, weil die Statusgruppe der Professor*innen immer eine Mehrheit der Sitze in diesen Gremien hat (A). Gleichzeitig bestehen, wie am Beispiel der TU verdeutlicht, kaum unabhängige Beschwerdestellen, bei denen Studierende adäquate Hilfe erhalten können. Oftmals werden Studierende vertröstet, tatsächliche Handlungsbefugnisse haben die wenigsten Anlaufstellen der Hochschulen.
Aufgrund bestehender Hierarchien haben Studierende darüber hinaus kaum Chancen, sich eigenmächtig gegen Diskriminierung oder die Verbreitung rechter Ideologien zur Wehr zu setzen. Gerade an kleinen Fachbereichen ist es Studierenden auch nicht möglich, bestimmten Dozierenden aus dem Weg zu gehen. Selbst, wenn ein Fall am Fachbereich größere Aufmerksamkeit erlangt, müssen Dozierende selten Konsequenzen für ihre Aussagen tragen und betroffene Studierende sind weiterhin in Vorlesungen, Seminaren oder bei Prüfungen den Aussagen und Diskriminierungen bestimmter Lehrender ausgeliefert.
Wir fordern daher:
- tatsächliche Sensibilisierung von Studierenden und Lehrenden für Diskriminierungs- und Machtverhältnisse statt inhaltsleerer "Diversity-Strategien"
- direkte Reaktionen bei Verbreitung rechter, rassistischer, sexistischer antisemitischer und anderer diskriminierender Inhalte seitens Lehrender
- tatsächliche Mitbestimmung von Studierenden bei der Vergabe von Lehrstühlen und Lehraufträgen
- kritische Aufarbeitung der Hochschulgeschichte
- Ausbau der Anlaufstellen für von Diskriminierung betroffenen Studierenden sowie klare Handlungsbefugnisse und Zuständigkeiten in diesbezüglichen Angelegenheiten
- Klare und konsequente Positionierung der Hochschulen gegen jeden Faschismus, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und anderer Diskriminierungsformen
- Weiterhin wollen wir alle Studierenden ermutigen, sich gegen jegliche Diskriminierung in der Lehre und an Hochschulen zur Wehr zu setzen. Wir müssen uns solidarisch mit all unseren Kommiliton*innen verhalten, die von rechten, rassistischen, sexisistischen, antisemitischen und anderweitig diskriminierenden Dozierenden unterrichtet werden und dadurch besondere Schwierigkeiten, Nachteile und belastende bis traumatische Erfahrungen durchmachen müssen. Keine*r von uns darf wegschauen, schweigen oder sich enthalten, wenn rechte Ideologie verbreitet wird.
- Unser Recht auf diskriminierungsfreie Lehre können wir nur gemeinsam einfordern! Also kommt zusammen, sprecht miteinander, reagiert - wenn möglich - direkt und unmittelbar auf Diskriminierungen in der Lehre. Wendet euch bei Fällen von Diskriminierung an eure Asten. Kostenlose und solidarische Beratungsangebote könnt ihr auf der jeweiligen Website eures AStA einsehen.
-------
Kontakt für Rückfragen:
Gerne per Mail an info@lak-berlin.de