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Stellungnahme des Referent_innen-Rates zum Lehrstuhl „Geschichte Aserbaidschans“

Der Referent_innen-Rat kritisiert die finanzielle und inhaltliche Einflussnahme des aserbaidschanischen Regimes auf den Lehrstuhl „Geschichte Aserbaidschans“ von Prof. Dr. Eva-Maria Auch am Institut für Geschichtswissenschaften.

Die deutschlandweit einzigartige Professur, die mit 75.000 Euro von der aserbaidschanischen Botschaft finanziert wird, gleicht einem Lobby-Lehrstuhl, der sich mit den nationalistischen Narrativen des autoritären Alijew-Regimes gemein macht.[1] Das postsowjetische Regime, das seit der Unabhängigkeit vom korrupten Alijew-Familienclan und aktuell von Machthaber Ilcham Alijew beherrscht wird, zeichnet sich unter anderem durch Repression von Minderheiten sowie gänzlich fehlende Presse- und Meinungsfreiheit aus.[2] Beispielsweise steht das Land in der Rangliste der Pressefreiheit 2021 sogar noch neun Plätze hinter der Diktatur Belarus.[3] Gleichzeitig nimmt es seit Jahren durch so genannte „Kaviar-Diplomatie“ Einfluss auf deutsche Bundestagsabgeordnete (hauptsächlich CDU/CSU), die im Gegenzug der Diktatur ein Image als weltoffenes und demokratisches Land geben, beispielsweise indem sie dem Land als Wahlbeobachtende freie und demokratische Wahlen bescheinigen.[4]

In diesen Aserbaidschan-Lobbyismus fügt sich die HU-Stiftungsprofessur „Aserbaidschanische Geschichte“ ein, denn ihr erklärtes zentrales Ziel ist es Aserbaidschan in Deutschland bekannter zu machen, gleichzeitig kann die Botschaft die Inhalte mitbestimmen.[5] Statt also unabhängige (und womöglich kritische) Forschung zur Südkaukasusregion zu betreiben, findet am Lehrstuhl dem Regime genehme Lehre und Forschung unter anderem zur Nationen- und Elitenbildung Aserbaidschans innerhalb der Region Kaukasien statt und es wird für Exkursionen und Austausche in das autokratisch geführte Land geworben.[6] Im Sinne der Herausbildung eines deutsch-aserbaidschanischen Karrierenetzwerkes haben am Lehrstuhl dem Regime nahestehende Wissenschaftler_innen promoviert beziehungsweise an einem Studienaustausch teilgenommen.[7]

Aktuelle Brisanz erhält die Professur durch den skandalösen Umstand, dass Prof. Dr. Eva-Maria Auch ausgerechnet zu Ende des Bergkarabach-Kriegs zwischen Armenien und Aserbaidschan im April 2021 eine Reise nach Baku antrat, um sich mit dem Machthaber Alijew zu treffen sowie den bizarren und menschenverachtenden „Trophäen-Park“ zum Kriegssieg zu begutachten, in dem die Helme der gefallenen armenischen Soldat_innen in ausgestellt sind. Dabei freute sie sich in eigenen Worten sehr über die aserbaidschanische Einnahme der armenisch-geprägten Region.[8]

Wir als verfasste Studierendenschaft fordern ein Ende der Einflussnahme des aserbaidschanischen Regimes auf die freie Lehre am Institut für Geschichte. Wir fordern die Einrichtung eines unabhängigen Lehrstuhls für südkaukasische Geschichte, der kritische Forschung zu Georgien, Armenien und Aserbaidschan betreibt und historische Perspektiven aller drei Länder erforscht statt sich mit der aserbaidschanischen Staats- und Kriegspropaganda gemein zu machen.

[1] https://www.zeit.de/2014/08/aserbaidschan-humboldt-universitaet

[2] https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/aserbaidschan-2020

[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2021/Rangliste_der_Pressefreiheit_2021_-_RSF.pdf

[4] https://www.zeit.de/2021/12/aserbaidschan-connection-cdu-korruption-maskenaffaere-kaviar-union

[5] https://www.zeit.de/2014/08/aserbaidschan-humboldt-universitaet

[6] https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/aserbaidschan/profil

[7] https://www.vice.com/de/article/m7ejgq/aserbaidschan-affare-aliyevs-geheime-praktikanten-armee-im-bundestag

[8] https://taz.de/Propaganda-in-Aserbaidschan/!5768210/

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  • erstellt:29.07.21, 09:52
  • geändert:29.07.21, 09:57