Machtmissbrauch an der Humboldt-Universität zu Berlin: Fast die Hälfte aller Studierenden betroffen
Unsere Veröffentlichung »Machtmissbrauch an der HU - Ein studentischer Lagebericht« könnt ihr hier lesen.
Eine Umfrage des Referent*innenRats (gesetzl. AStA) der HU Berlin unter Studierenden der Universität hat ergeben, dass fast die Hälfte aller teilnehmenden Studierenden bereits erlebt haben, dass Dozierende ihre Machtposition missbräuchlich nutzen.
Die Umfrage hat die Studierendenvertretung im Oktober 2023 gestartet und die Ergebnisse nun mit eigenen Erfahrungen aus der Arbeit zum Themenkomplex Machtmissbrauch verknüpft und in einem Bericht veröffentlicht. An der Umfrage haben sich ca. 850 Studierende beteiligt und ihre Erfahrungen mit Machtmissbrauch an der HU so anonymisiert geteilt.
»Die Dozentin sitzt im Prüfungsausschuss und hat gedroht, dass sie am längeren Hebel sitzen würde [und] uns durch unser gesamtes Studium verfolgen wird.«, berichtet beispielsweise eine Person.
»Ein Professor […] guckte mir im Gespräch (keine weiteren Anwesenden) langanhaltend auf die Brüste.«, teilt eine weitere.
Die AG Machtmissbrauch des Referent*innenRats ordnet die Ergebnisse ein: »Die Ergebnisse unserer Umfrage sind schockierend. Bei Machtmissbrauch handelt es sich nicht um ein paar einzelne Fälle und auch nicht um ein HU-spezifisches Problem, sondern ein strukturelles Problem an Universitäten in Deutschland. Zurückzuführen ist dies mitunter auf die streng hierarchische Organisationsstruktur in der Wissenschaft.«
In dem Bericht sowie in der Umfrage wird zwischen diskriminierungsspezifischem Machtmissbrauch sowie Machtmissbrauch ohne spezifische Diskriminierungsmerkmale unterschieden. Während sich Betroffene von z.B. sexistischem Machtmissbrauch oftmals noch an die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Universität wenden können, sieht die Studierendenvertretung gerade bei Machtmissbrauch ohne Diskriminierungsmerkmale eine Leerstelle.
»Es fehlt weiterhin eine Stelle, die alle Machtmissbrauchsfälle aufnimmt, erfasst und sich wirkungsvoll darum kümmert. Momentan müssen Studierende suchen, an wen Sie sich an der Uni wenden können. Und oftmals gibt es einfach niemanden, der sich zuständig fühlt, geschweige denn wirklich auskennt.«
Die AG Machtmissbrauch zeigt sich enttäuscht von der Universitätsleitung. »Anderthalb Jahre sind seit dem Öffentlichwerden der Fälle Kohring und Eckart vergangen. Die Universität hat es in dieser Zeit versäumt, ein umfassendes Konzept gegen Machtmissbrauch vorzulegen. Dies erschwert die Aufarbeitung vergangener Fälle ungemein. Von wirksamer Prävention kann leider nicht die Rede sein.«
Der Referent*innenRat fordert ein umfassendes Konzept gegen Machtmissbrauch an der HU noch innerhalb diesen Jahres.
»Spätestens seit der Aufarbeitung des Falls Kohring liegen detailliert ausgearbeitet Forderungen auf dem Tisch. Dass es keine Versuche der Universitätsleitung gibt, diese auf zentraler Ebene durchzusetzen, ist ein Schlag ins Gesicht der Generationen von Betroffenen.«, so die AG Machtmissbrauch. [Abschlussbericht der Machtmissbrauchskommission]
Teil dieser Maßnahmen soll die Einrichtung einer zentralen, niedrigschwelligen und unabhängigen Stelle sein, die kostenlose psychologische und juristische Beratung für Betroffene anbietet. Es müsse endlich transparent werden, welche Schritte Betroffene erwarten könne, wenn sie den Mut fassen, Machtmissbrauch zu melden. Dringend nötig sei außerdem ein echtes Präventionskonzept, das beispielsweise verpflichtende Fortbildungen beinhaltet. Professor*innen und Dozent*innen müssten wissen, was Machtmissbrauch sei und wie dagegen vorgegangen werden könne. Zu einer umfassenden Strategie gegen Machtmissbrauch gehöre auch eine Sensibilisierung der gesamten Universität zu den verschiedensten Facetten von Machtmissbrauch.
Die einzig langfristige Prävention sei jedoch der Abbau von Machtstrukturen und eine ernsthafte Unterstützung von Betroffenen, so ein Mitglied der AG Machtmissbrauch zur taz: »Wir müssen überlegen, ob wir tatsächlich weiterhin dieses Feudalsystem behalten wollen, mit einer Professur und vielen Angestellten in Abhängigkeitsverhältnissen darunter.« [taz Artikel]
Kontakt:
Referent*innenRat HU Berlin
E-Mail: refrat@refrat.hu-berlin.de
Tel.: 030 2093 46662